Das virtuelle Atelier von Tanja Soler Zang

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Riss

Die Raum-Klang-Installation "Riss" visualisiert meine Assoziation zu dem Thema "Macht". Dies war 2018 das globale Thema des legendären Kunstprojektes "Kottwitzkeller im Hamburger Untergrund und in privaten Räumen".

Macht ist die Fähigkeit andere Menschen so zu beeinflussen, dass sie das tun, was man selbst will. Nahezu jegliche Kommunikation spiegelt Machtausübung wieder. Wenn beispielsweise die Mutter dem Kind sagt, es solle nicht zu viel Schokolade essen, so ist dies eine Form der Machtausübung: Sie versucht ihre eigenen Präferenzen auf das Verhalten des Kindes zu übertragen. Darüber hinaus zeigt das Beispiel, dass Machtausübung nicht nur negative Aspekte hat, sondern als Mittel in der Erziehung und der Sozialisation ein ganz alltägliches Element unserer Gesellschaft ist.

Die Form der Machtausübung, welche beim Empfänger zur Wirkung kommt, spielt eine zentrale Rolle. Sie entscheidet darüber, wie Konflikte in einer pluralistischen Gesellschaft bewältigt werden. Es kann sein, dass der fremde Wille mit Gewalt aufgezwungen wird; es kann auch sein, dass der Empfänger gar keinen eigenen Willen hat und somit der Anleitung bedarf; oder es kann auch sein, dass sich der Empfänger mit seinem eigenen Willen für die gleiche Sache entscheidet – und so "aus freiem Willen" folgt. Ein deutliches Beispiel für eine "freie Art der Machtausübung" findet sich in der Rechtsordnung eines Rechtsstaates, die von den einzelnen Bürgern nicht als Zwang empfunden wird. Sie macht seine Bürger sogar erst zu "freien Bürgern".

Macht als Gewalt ist hingegen durch einen sehr geringen Vermittlungsgrad gekennzeichnet. In diesem Fall setzt der Machtinhaber seine Interessen durch bloßes Befehlen und körperlichen, ökonomischen oder psychischen Zwang durch. Diese Machtform ist durch eine große Instabilität und Fragilität gekennzeichnet, da sie zwischen den Akteuren enorme Spannungen erzeugt.

In meiner Raum-Klang-Installation "Riss" beschäftigt mich das Abgleiten der Macht zum Machtmissbrauch. Die Methoden dafür gehen nicht zwangsläufig mit brachialer Gewalt einher, viel allgegenwärtiger sind die subtilen Formen, mit denen andere Menschen manipuliert werden. Solche Formen sieht man beispielsweise in der Werbung, in der Desinformation, im Verschweigen unerwünschter Wahrheiten oder bei Intrigen, Lügen, Bestechungen und Fälschungen. Auch diese "subtilen Formen" der Machtausübung gehen mit einem zerstörerischem Potenzial einher und erzeugen Risse in unserer Gesellschaft.

Ich stelle in meiner Arbeit die Machtausübung durch Manipulation an dem Material "Papier" bloß: Papierbahnen hängen in zwei Hälften zerrissen aufgereiht im Raum. Der zentral sichtbare Riss mäandert in mehreren Ebenen durch das Papier; er wiederholt sich Blatt für Blatt und gräbt sich so für jeden unübersehbar in die Papierschichten ein. Der unterschwellig hörbare Sound greift das Thema auf und durchzieht den Raum von der ersten bis zur letzten Ebene. Er lässt den Betrachter das Reißen von Papier unmittelbar erleben.

Tanja Soler Zang  ·  art solza.de